Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 9(2001) 1
[ Bestand in K10plus ]

Deutsche Dramatiker des 20. Jahrhunderts


01-1-041
Deutsche Dramatiker des 20. Jahrhunderts / hrsg. von Alo Allkemper und Norbert Otto Eke. - Berlin : Erich Schmidt, 2000. - 919 S. ; 24 cm. - ISBN 3-503-04975-4 : DM 268.00, DM 198.00 (Subskr.-Pr. bis 31.10.2000)
[3916]

Die vorliegende Sammlung wissenschaftlicher Essays zu 51 Theaterautoren, die "einerseits den aktuellen Stand der Forschung berücksichtigen", andererseits einen Gesamteindruck der Theaterproduktion jedes einzelnen Schriftstellers vermitteln, sollen dem jeweiligen Werk der behandelten Autoren "eine möglichst breite Leserschaft" sichern. Die Reduktion des kritischen Apparats auf ein Minimum an bibliographischen Angaben zur Primär- und Sekundärliteratur, die jedem Beitrag angehängt sind, befreit schon optisch das Buch von jenem schwerfälligen Aussehen, das manchen ähnlichen Werken anhaftet und sie für den Laien wenig verlockend macht; das bedeutet aber nicht, daß die Autoren der Medaillons auf Genauigkeit im Umgang mit den Quellennachweisen verzichten. So ist das Werk für Theaterpraktiker ebenso ergiebig wie für Literaturwissenschaftler.

Die Galerie der Porträts folgt der chronologischen Ordnung: Maßgeblich für die Reihenfolge ist das Geburtsdatum der dramatischen Dichter. Am Beginn stehen die zwei im selben Jahr 1862 geborenen Autoren Arthur Schnitzler und Gerhart Hauptmann, ein Österreicher und ein aus Schlesien stammender "Reichsdeutscher", die das impressionistische bzw. naturalistische Theater und zugleich die zwei großen deutschsprachigen Kulturmetropolen der Jahrhundertwende vertreten, Wien und Berlin, und in mancher Hinsicht auch Gegenpole darstellen. Der jüngste behandelte Stückeschreiber ist der frühverstorbene österreichische Spötter Werner Schwab (1958 - 1994), der mit seinem Werk Der reizende Reigen nach dem Reigen des reizenden Herrn Arthur Schnitzler (1996) tatsächlich einen Kreis zu schließen scheint.

Unterschiedlich lang und durchaus individuell artikuliert, behandeln diejenigen Beiträge, die sich mit Autoren aus der ersten Hälfte des Jahrhunderts befassen, nicht nur Berühmtheiten (wie Hugo von Hofmannsthal und Bert Brecht), sondern auch weniger bekannte dramatische Autoren wie Franz Jung und Friedrich Wolf, zwei Stimmen aus jener Kunstströmung, die trotz der vielen Unterschiede im Detail unter dem gemeinsamen Namen des Expressionismus in die literarhistorische Nomenklatur eingegangen und auf dem Gebiet des Theaters besonders fruchtbar gewesen ist.

Alle deutschsprachigen Regionen und alle dramatischen Strömungen sind berücksichtigt: neben den Schweizern Friedrich Dürrenmatt und Max Frisch stehen die Österreicher Elias Canetti und Thomas Bernhard oder die Deutschen Peter Weiß und Heiner Müller, um nur einige Namen zu nennen, welche die Bühne des 20. Jahrhunderts geprägt haben. Jenseits des individuellen Stils und der persönlichen Prägung der Inhalte oder Formen - etwa durch das Groteske bei Dürrenmatt, das Dokumentarische bei Weiß, die obsessive Wiederholung bei Bernhard - zeigt das Theater nach dem Zweiten Weltkrieg einen stark sozialkritischen, oft auch politisch engagierten Zug, der sich vor allem bei den Autoren der jüngeren Generation (gemeint sind damit hier die Dichter, die heute um die fünfzig Jahre alt sind) nicht selten in Tiraden und Beschimpfungen ausdrückt, und zwar auf Kosten einer Handlung im traditionellen Sinne des Wortes.

Auffällig ist auch, daß der Anteil der Frauen an der dramatischen Literatur in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen hat, einer Gattung, die ihnen noch länger als andere verwehrt geblieben war. Sind unter den vor dem Krieg tätigen Autoren nur die immer auf Skandal bedachte Else Lasker-Schüler und die der Tradition des Volksstücks nahestehende Marieluise Fleißer behandelt, die eigentlich eine Übergangsfigur darstellt, haben seit den siebziger Jahren verschiedene Autorinnen eine mehr oder weniger große Resonanz mit ihren Bühnenarbeiten gewonnen: Gisela von Wysocki, Elfriede Jelinek, Friederike Roth und Marlene Steeruwitz.

Die Beiträge folgen bewußt einem eher traditionellen Modell der Literaturvermittlung, das darauf zielt, dem Leser die wesentlichen Informationen zu Vita und Produktion der Autoren zur Verfügung zu stellen und ihn mit den hauptsächlichen Themen der Werke bekanntzumachen. Trotz der Schwierigkeit der Synthese, die ein solches Verfahren verlangt, verzichten die Verfasser der Beiträge nicht auf kritische Resümees, so daß dieses Buch auch ein brauchbares Nachschlagewerk darstellt, das in mancher Hinsicht sogar eine Geschichte des deutschen Theaters des vorigen Jahrhunderts im traditionellen Sinne ersetzen kann.

Gabriella Rovagnati


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