Letztere Anmerkung sollte allerdings keineswegs (wird es aber wohl
dennoch) als Ausweis der Seltenheit genommen werden, denn die Sammlung
war zwar umfangreich, aber keineswegs "vollständig". Sieht man von den
gleichwohl vorhandenen wenigen Lexika aus nicht deutschsprachigen
Ländern einmal ab, die man - ohne dem Sammler Unrecht zu tun - als
Zufallskäufe bezeichnen kann, so liegt der Schwerpunkt eindeutig bei
den Lexika aus deutschsprachigen Ländern und zwar primär vom 18.
Jahrhundert bis zur Gegenwart, mit dem Schwerpunkt bei den deutschen
(Konversations-)Lexika des 19. Jahrhunderts, von denen nicht nur der
Ersch/Gruber und die zahlreichen Auflagen der Großen - Brockhaus,
Herder, Meyer, Pierer - vorhanden sind, sondern auch die im Schatten
dieser Unternehmen stehenden Konkurrenzprodukte einschließlich
Varianten und Raubdrucken. Auch wenn ganz überwiegend Allgemein-Lexika
gesammelt wurden, so fehlen doch nicht Beispiele für Fachlexika, die
man aber gleichfalls auf das Konto des Sammlungsabfalls buchen kann.[8]
Der besondere Wert dieses Katalogs (er bildet den ersten Teil des
Bandes und wird auf S. 525 - 526 durch das nur summarisch beschriebene
Archiv Seemann, insbesondere seine Arbeitsbibliothek[9] ergänzt) liegt
in der ausführlichen Beschreibung der Titel mit der genauen Aufführung
des Inhalts der einzelnen (z.T. sehr zahlreichen) Bände sowie in den
teilweise seitenlangen Annotationen. Auch wenn es auf dem Titelblatt
heißt, daß der Katalog "nach einem von Otmar Seemann erstellten
Gesamtverzeichnis" herausgegeben wurde, so ist dieser gleichwohl
Urheber der Titelaufnahmen und der Annotationen, die er in einer
Datenbank gespeichert hatte.
Nehmen wir als Beispiel für das Gesagte die unter Nr. 4 verzeichnete
Allgemeine Realencyklpädie oder Conversationslexikon für das
katholische Deutschland von Wilhelm Binder (Regensburg : Manz, 1846
- 1850). Auf die eine knappe halbe Seite einnehmende Titelaufnahme
samt Bandaufführung folgt die in kleinerer Type gesetzte, zwei Seiten
umfassende Annotation. Sie nennt zunächst die Originalpreise (die auch
sonst mitgeteilt sind, wenn sie zu ermitteln waren), dann die 1993
erschienene, von Seemann herausgegebene Mikrofiche-Ausgabe. Es folgen:
Zitate aus dem Vorwort über die Absicht, die Verlag und Bearbeiter mit
der Publikation verfolgten; eine lange Darstellung des
Konkurrenzverhältnisses zur zeitgenössischen Ausgabe des Brockhaus
(dessen Text nicht wörtlich, dafür inhaltlich und unter
Richtigstellung aus katholischer Sicht weitgehend übernommen wurde);
Hinweise zu den Illustrationen; Anmerkungen zum Herausgeber Binder;
Zitate aus zeitgenössischen Äußerungen. Den Abschluß der Annotation
bildet - wie in allen Fällen - eine Aufführung der Fundstellen in der
Sekundärliteratur, die teils mit einer Sigle, teils mit einer Nummer
zitiert wird. Erstere verweist auf den ersten Abschnitt (S. 553 - 571)
des 2. Teils Bibliographie, der Allgemeine Referenzwerke überschrieben
ist, die im Alphabet der Verfasser bzw. Siglen aufgeführt sind,
letztere auf den zweiten Abschnitt (S. 571 - 683) mit 3316
durchnumerierten, willkürlich geordneten Literaturstellen der
verwendeten Sekundärliteratur (diese beiden Abschnitte - und gar schon
den zweiten - "als Bibliographie zur Geschichte der Lexikonistik" zu
bezeichnen, wie es auf dem Titelblatt geschieht, ist also alles andere
als zutreffend).
Der Katalog wird durch ein Register aller Verfasser, Herausgeber,
Verleger und der in den Annotationen erwähnten Personen erschlossen,
der zweite Abschnitt von Teil 2 durch ein separates Register der
Autoren und Herausgeber zur verzeichneten Sekundärliteratur. Die
Zeittabelle am Ende des Katalogteils (S. 527 - 535) enthält die
Kurztitel der verzeichneten Lexika nach dem Erscheinungsjahr des
ersten Bandes (leider ohne Angabe der laufenden Nummer).
Wünschenswert, wenn auch nicht ohne besonderen Aufwand zu erstellen,
wären tabellarische/graphische Verzeichnisse der Filiation
verschiedener Lexikonfamilien gewesen sowie der Beziehungen zwischen
solchen als Konkurrenten und ggf. Plagiate.
Für den Antiquariatshandel und die Informationsapparate in den
Bibliotheken gleichermaßen unverzichtbar.
Klaus Schreiber
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