Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 9(2001) 2
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Lexikon der österreichischen Exilliteratur


01-2-292
Lexikon der österreichischen Exilliteratur / Siglinde Bolbecher ; Konstantin Kaiser. In Zusarb. mit Evelyn Adunka ... - Wien : Deuticke, 2000. - 763 S. : Ill. ; 24 cm. - ISBN 3-216-30548-1 : ÖS 598.00, DM 82.00
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Von einem erweiterten Begriff von Exil gehen die Herausgeber dieses Lexikons aus, das unter den ca. 700 alphabetisch geordneten Beiträgen zur österreichischen Exilliteratur, sowohl Autoren in Betracht zieht, die ins Exil gegangen sind, als auch solche, die sich im Land am Widerstand beteiligt haben, egal ob sie in einem KZ ums Leben gekommen oder den Naziverfolgungen entkommen sind. Es fehlt also auch nicht eine exemplarische Zahl von Schriftstellern der sogenannten "Inneren Emigration", die Attacken und Repressalien der Nazis ausgesetzt waren. Der Begriff "österreichisch" im Titel des Lexikons ist gleichfalls weit gefächert: Er entspricht geographisch nicht dem Territorium des heutigen Österreich, sondern umfaßt auch Regionen, wie etwa Slowenien oder Ungarn, die vor 1918 zum Habsburgerreich gehört hatten und die auch später rege, deutschsprachige literarische Aktivitäten hervorgebracht haben, die sich in eine "österreichische" Tradition einbetten lassen. Von diesem Standpunkt aus werden in das Lexikon auch repräsentative Autoren aus den ehemaligen Gebieten der Donaumonarchie aufgenommen, deren Mutter- und Schreibsprache eine andere gewesen ist als das Deutsche.

All diese Kriterien, welche die Aufnahme oder den Ausschluß eines Namens bestimmt haben, erläutern die Herausgeber in der kurzen Einleitung zum eigentlichen Corpus des Werks, das sich als eine Art von "work in progress" versteht, das bei eventuellen Neuauflagen zu korrigieren und zu ergänzen sein werde. Solche Einschränkungen stimmen den Rezensenten zu einer gewissen Nachsicht, obwohl es manchmal schwer fällt, eine bestimmte Entscheidung nachzuvollziehen, wie etwa im Falle des Barons Leopold von Andrian, der wirklich nur mit großer Großzügigkeit (im künstlerischen wie im politischen Sinne) zu den Exilautoren gezählt werden kann.

Die Artikel sind alle dreiteilig aufgebaut: Sie vermitteln zuerst Grundinformationen über Herkunft und Leben des Autors, der oft auch mit einem Schwarzweiß-Photo vorgestellt wird. Es folgen - eventuell in Auswahl - die von ihm verfaßten Werke, die in den Jahren des (auch chronologisch flexibel aufgefaßten) Exils entstanden sind; das Medaillon wird abgerundet mit den Quellen, unter denen die Sekundärliteratur zum Autor verstanden wird. Gerade in diesem letzten bibliographischen Teil zeigt das Lexikon seine Schwäche, denn er ist oft ungenau, selten auf dem neuesten Stand und wendet in der Auswahl von Aufsätzen und Essays ziemlich subjektive Kriterien an. Man gewinnt im allgemeinen nicht den Eindruck, daß eine autoptische Kontrolle der Titel stattgefunden hat.

Nur als Beispiel: bei Richard Beer-Hofmann wird die Fischer-Ausgabe anläßlich des 100. Geburtstag des Dichters 1966 mit dem Datum 1963 angegeben; nicht erwähnt ist hingegen die neueste Gesamtausgabe in Einzelbänden, die im Igel-Verlag erschienen ist; von Stefan Zweig sind die Tagebücher angeführt, aber weder die Gesamtausgabe der Werke in Einzelbänden, noch die Edition der Briefe (alles bei Fischer), geschweige denn die von Randolf Klawiter besorgte und sorgfältig gearbeitete Bibliographie; noch zufälliger mutet die Auswahl der unter den Werken erwähnten Übersetzungen an.

Kürze oder Länge der Darstellungen bestimmt die Bekanntheit eines Schriftstellers und natürlich der Reichtum oder ggf. auch die Spärlichkeit an vorhandenen Informationsmitteln über ihn.

Im Anhang findet der Benutzer ein Verzeichnis der Abkürzungen, eine Liste der Anthologien, die Bibliographie der Sekundärliteratur, ein Verzeichnis der Pseudonyme und schließlich eines der Bildquellen. Trotz seiner Grenzen ist das Buch als erstes Hilfsmittel nützlich; es ist leicht zu handhaben und kann Laien wie Fachleuten als Basisinformation zu bekannten oder weniger bekannten Autoren dienen, die im weiten Sinn des Wortes die Erfahrung des Exils durchgemacht haben. Ratsam ist aber immer, die Daten zu überprüfen und die Recherche zu vertiefen, denn Fehler sind keine Seltenheit.

Gabriella Rovagnati


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