Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 9(2001) 1
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Stammbücher bis 1625


01-1-005
Stammbücher bis 1625 / beschrieben von Ingeborg Krekler. - Wiesbaden : Harrassowitz, 1999 [ersch. 2000]. - XXXIV, 404 S. ; 30 cm. - (Die Handschriften der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart : Sonderreihe ; 3). - ISBN 3-447-04224-9 : DM 176.00
[6022]

"Wie der Fürst ist, so sind auch die Beamten".[1] Diese staatsmännische Weisheit schrieb 1597 der später selbst glücklos regierende Johann Friedrich zu Württemberg dem drei Jahre älteren, von der Regentschaft jedoch ungleich weit entfernteren August d.J. von Braunschweig-Lüneburg in sein Stammbuch. Der norddeutsche Fürst studierte zwischen 1595 und 1597 in Tübingen, schloß bald Freundschaft mit Johann Friedrich und legte, gewissenhaft wie er war, dem adeligen Freund das für seine Kreise bestimmte Stammbuch[2] vor. Seit Mitte des 16. Jahrhunderts waren diese "Freundschaftsalben" in Mode gekommen, neben dem Sinnspruch oder Bibelzitat, die man dem Stammbuchbesitzer üblicherweise mit auf den Weg gab, wurden nicht selten auch künstlerische Beiträge gestiftet; Johann Friedrich ließ für August eine illustrative farbige Miniatur eines Fußturniers, das vor dem gerade erst fertiggestellten Neuen Lusthaus in Stuttgart 1596 stattgefunden hatte und dem August beigewohnt hatte, anfertigen. Abweichend von den sonstigen zeitgenössischen topographischen Kupferstichen eröffnet diese Darstellung eine andere Perspektive auf den Schauplatz und ist auch deshalb eine interessante Quelle für den Historiker.

Stammbücher sind - das mag schon dieses kleine Beispiel belegen - eine äußerst vielseitige prosopographische, auch kultur- und rezeptionsgeschichtliche Quelle. Und mehr noch, sie werfen ein Licht auf Verbindungen und Verflechtungen in der gelehrten Welt, der respublica litteraria, wie sie uns sonst nur Briefwechsel und die Beigabe von Widmungen, literarischen Beiträgen und handschriftlichen Einträgen in gedruckten Büchern anzeigen.

Glücklicherweise wird schon seit gut zwei Jahrzehnten die differenzierte Erschließung der in öffentlichen Sammlungen zu findenden Stammbücher nicht nur diskutiert, sondern zunehmend auch durchgeführt. Seit den Überlegungen zur Katalogisierung von Stammbüchern von Wolfgang Milde und zur Erfassung von Stammbüchern ... aus überregionaler Sicht von Hans Joachim Mey anläßlich des 1979 in der Herzog August Bibliothek veranstalteten Arbeitsgesprächs Stammbücher als kulturhistorische Quellen,[3] sind verschiedene gedruckte Kataloge von Stammbuchsammlungen erschienen, die sich an den hier formulierten Standards orientieren.

Die Ansprüche an die Erschließung der Stammbücher betreffen zum einen die ausreichende Erfassung der zahlreichen heterogenen Informationen dieser Quellen, zugleich soll das Stammbuch aber auch schon im Katalog als "ein in sich geschlossenes Ensemble" (Mey, a.a.O. S. 227) sichtbar werden, d.h. das Verzeichnis soll die Fülle der enthaltenen Einzeldaten - biographische, chronologische und geographische Angaben, literarische und künstlerische Beiträge - in ihrer Verknüpfung dokumentieren und damit der Forschung möglicherweise Einblicke in bislang nicht bekannte Zusammenhänge öffnen.

Auch Ingeborg Krekler folgt in ihrem 1999 veröffentlichten Verzeichnis der Stammbücher (bis 1625) der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart diesen Ansprüchen an die Beschreibung und legt uns damit ein weiteres Nachweisinstrument vor, das die Vielfalt der frühneuzeitlichen Stammbücher aufscheinen läßt.

Zum Bestand der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart gehören 162 Stammbücher sowie 8 Stammbuchfragmente, 37 Einzelblätter und 7 Handschriften des Weingartener Mönchs Gabriel Bucelin mit Einträgen. In dem vorliegenden ersten Katalogband der Stammbücher hat Ingeborg Krekler 61 Stammbücher und acht Fragmente mit insgesamt rund 9350 Einträgen erschlossen. Für die Erfassung wurde die chronologische Grenze bei den bis 1625 begonnenen Stammbüchern gezogen. Es verbleiben annähernd 100 noch zu katalogisierende Stücke des Zeitraums ab 1626 bis in das 20. Jahrhundert. Aus welchen Gründen das Jahr 1625 als Einschnitt für den ersten Katalogband gewählt wurde, geht aus der Einleitung nicht hervor, auch nicht, warum auf die geschlossene Verzeichnung des Gesamtbestands mit einem gemeinsamen Registerband verzichtet wurde.

In einer kurzen Einleitung (S. VII - XIII) stellt Krekler den Stammbuch-Bestand der Stuttgarter Bibliothek im Überblick vor und führt in den Aufbau des Katalogs, die Beschreibungsregularien und Register ein; auf ein Abkürzungsverzeichnis (XV - XVI) und ein Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur (XVII - XXXIV) folgt der Katalogteil (S. 3 - 177), den Abschluß bilden die umfangreichen Register (S. 179 - 401). Obwohl es sich bei dem verzeichneten Bestand zum Teil um reich illustrierte Stammbücher handelt, verzichtet der Katalog - das mag man bedauern - auf einen Abbildungsteil.

Die Katalogaufnahmen und Register folgen den anerkannten gattungsspezifischen Verzeichnungsstandards, wenngleich auf die Erfassung wichtiger inhaltlicher Merkmale verzichtet wurde. Die Beschreibungen sind chronologisch nach dem jeweils frühesten Eintrag in den Stammbüchern geordnet. Den Anfang bildet das Album des württembergischen Oberrats Johann Burghard von Anweil mit Einträgen aus der Zeit 1556 - 1564, das nach 1593 von Johann Michael Weckherlin weitergeführt wurde. Zu den herausragenden Quellen des im folgenden erschlossenen Bestands zählt das unter Nr. 16 beschriebene Stammbuch des württembergischen Theologen und Musikgelehrten Paul Jenisch (1558 - 1647), das neben etwa 1100 Autographen annähernd 200 Originalillustrationen, über 200 Kupferstiche und Holzschnitte sowie knapp 500 Wappen enthält. Auf die Überschrift mit laufender Katalognummer, Bibliothekssignatur und Nennung des Stammbuchbesitzers folgt die formale Beschreibung, die alle wichtigen physischen Daten der Bücher enthält: Beschreibstoff, Blattzahl und Maße, Beigaben aller Art - wobei die bildlichen Darstellungen getrennt nach künstlerischen Techniken einzeln aufgeführt werden -, Beschreibung des Einbands und ähnliche Informationen.

Es schließen sich Angaben zur Geschichte und Herkunft der Handschrift an, die - soweit möglich - Vorbesitzer und spätere Inhaber nennen sowie die Erwerbungsgeschichte der Stammbücher vermitteln. Literaturangaben zur gesamten Handschrift beschließen dieses Segment.

Der zweite große Abschnitt widmet sich zunächst der zusammenfassenden inhaltlichen Beschreibung des einzelnen Stammbuchs und führt sodann die Einträge in der Reihenfolge der Handschrift auf. Zunächst wird die Zahl der vorhandenen Einträge für den jeweiligen Besitzer mitgeteilt, dessen wichtigste biographische Daten stichwortartig, in gängigen Abkürzungen und mit einzelnen Literaturangaben beigegeben werden. Schließlich folgt eine Aufzählung der Eintragungsorte nach ihrer Chronologie mit der Angabe der jeweiligen Zeitspanne, aus der Inskriptionen vorliegen. Diese vorgreifende summarische Darstellung der Einzelinskriptionen öffnet interessante biographische Einblicke in die Aufenthaltsorte und die Kavaliers- und Bildungsreisen der Stammbuchbesitzer.

In kompakter Form werden anschließend die Beschreibungen der Einträge aneinandergereiht: Blattzählung, Name des Einträgers, gegebenenfalls kurze Kennzeichnung einer zugehörigen Beigabe (mit einer Abkürzung B/Bildnis, W/Wappen etc.), Ort und Datum des Eintrags. Das gesamte personengeschichtliche Material finden wir hier akribisch aufgeschlüsselt und mit den chronologischen und geographischen Daten vereint. Verzichtet wurde jedoch auf die Bereicherung dieser Angaben um inhaltliche Nachweise der literarischen und künstlerischen Beiträge. Während die Illustrationen noch im ersten Abschnitt der Katalogaufnahme kurz summarisch dargestellt werden und ein Bildregister (s.u.) später konkreten Zugang verschafft, nimmt der Katalog eine Erschließung der literarischen Beiträge grundsätzlich nicht vor. So finden wir etwa auch keine engeren oder weiteren gattungsbestimmenden Angaben zu schriftlichen Einträgen, etwa Bibelspruch, Devise, Epigramm, Sentenz oder dergleichen, keine Angaben zur Sprachlichkeit, keine Hinweise auf Zitatquellen. Rezeptionsgeschichtliche Forschungsinteressen in Hinblick auf Kanonrekonstruktion u.ä. werden sich folglich nicht bedient sehen. Das mag man bedauern, wäre es doch für Albenbesitzer wie einen Georg Rudolf Weckherlin gewiß von Aussagekraft. Die Fehleranfälligkeit mag ausschlaggebend gewesen sein, diese Nachweise der Einzelforschung zu überlassen.

Aus Gründen der Übersichtlichkeit und Eindeutigkeit (S. XII) wurde an dieser Stelle auch auf biographische Angaben zu den eintragenden Personen verzichtet. Das Personenregister bietet jedoch jeweils Kurzinformationen zu den Beiträgern. Da uns in vielen Fällen ein nicht allgemein bekannter, sondern eher ein orts- oder regionalgeschichtlich interessanter Personenkreis in den Stammbucheintragungen entgegentritt, sind diese kurzen biographischen Angaben zur ersten Handhabung des Katalogs wichtig und sehr hilfreich.

Wünschenswert wäre in diesem zweiten Katalogteil eine bessere Übersichtlichkeit in der Darstellung. Nicht selten reihen sich viele Dutzend Namen, Daten und Orte in einer ununterbrochenen Kette aneinander, worunter die Lesbarkeit der Texte leidet.

Vier Register erschließen den Katalogteil: 1. Das Personenregister umfaßt (geschätzt) mehr als neuntausend Personen - Einträger und Besitzer sowie Familien und Einzelpersonen, die nur mit einem Wappen vertreten sind - und bietet den Katalogbenutzern in den heute üblichen Verzeichnungsstandards (normierte Namensansätze, Vorlageform nur bei nicht zu identifizierenden Personen; Verweisungen etc.) mit den schon erwähnten biographischen Kurzangaben reiches Material zu personen- aber auch regionalgeschichtlichen Recherchen. 2. Das Ortsregister enthält alle in den Stammbucheinträgen genannten Orte. 3. Das sehr nützliche Bildregister präsentiert die Motive und Stoffe der Originalillustrationen sowie der Druckgraphik unter Schlagwörtern, die in Großgruppen zusammengestellt sind. Zusätzlich werden die künstlerischen Techniken erwähnt. Die in 17 Großgruppen (von Allegorien über Christliche Thematik, Musik, Natur bis zu den Varia, die beispielsweise unter dem Schlagwort Originalbeiträge von Malern und Zeichnern entsprechende Beiträge zusammenfassen) geordneten mehr als 700 Einzelschlagwörter ergeben einen guten Überblick über die ikonographischen Bezüge der Stuttgarter Stammbücher. Wie zu erwarten bildet die christliche Überlieferung neben dem engen Bezug auf antike Vorbilder das Hauptreservoir, aus dem die Allegorese dieser typisch frühneuzeitlichen literarisch-künstlerischen Mischform schöpft. Dankbar ist man für den raschen Überblick, den die Großgruppe Porträts gewährt, die in alphabetischer Reihenfolge die in Porträt und Ganzfiguren dargestellten Personen benennt. 4. Eine Erweiterung des dritten Registers stellt dasjenige der Künstler, Stecher und Verleger der druckgraphischen Blätter dar.

Mit dem vorliegenden ersten Katalog der Stammbücher der Württembergischen Landesbibliothek hat Ingeborg Krekler einen respektablen Beitrag zur Erschließung dieser Quellengruppe geliefert. Der Katalog bietet nicht nur eine große Fülle von Einzeldaten, sondern läßt zu einem guten Teil auch die einzelnen Stammbücher in ihrer Struktur wie in ihrer Singularität erkennbar bleiben. Freilich gibt es Informationen, die uns die Beschreibungen vorenthalten. Dies betrifft den schon erwähnten Verzicht auf Angaben zu den Einträgen selbst. Wenngleich ein Katalog anders als Faksimile, Reprint oder Edition die Fülle der Einträge nicht im ganzen Wortlaut widergeben kann, wenngleich aus verschiedenen Gründen eine konkrete inhaltliche Bestimmung der Inskription bei der Erschließung umfangreicher Bestände im Katalog nicht zu leisten ist, so ist dennoch zu überlegen, ob es nicht praktikable und aussagekräftige Kompromisse zwischen solcherart intensiver Erschließung und völligem Verzicht auf entsprechende Angaben gibt. Wie die Kurzcharakteristik der Bildinhalte würde doch auch eine allgemeine Kennzeichnung der schriftlichen Einträge im Katalog, etwa in der oben angedeuteten Form (Gattung, Sprache, Quelle, Zitatverweis u.ä.) Sinn machen. Entsprechende Indizes, etwa die der zitierten Autoren, Werke und Bibelstellen, würden neben dem ikonographischen Register weitere aufschlußreiche inhaltliche Informationen über diesen Stammbuchbestand liefern und die historische Forschung verschiedenster Fachrichtungen unterstützen.[4]

Petra Feuerstein-Herz


[1]
"Sicut est Princeps: Ita & praefecti"; s. dazu Über emblematische Stammbücher / Carsten-Peter Warncke. // In: Stammbücher als kulturhistorische Quellen / hrsg. von Jörg-Ulrich Fechner. - München, 1981. - (Wolfenbütteler Forschungen ; 11), S. 197 - 225 : Ill.; hier S. 205 - 208. (zurück)
[2]
Das Original befindet sich im Besitz der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel; Sign.: Cod. Guelf. 84.6 Aug. 4ø (zurück)
[3]
Stammbücher als kulturhistorische Quellen / hrsg. von Jörg-Ulrich Fechner. - München, 1981. - (Wolfenbütteler Forschungen ; 11), S. 231 - 236 (Milde) und 227 - 230 (Mey). (zurück)
[4]
Vgl. die Beschreibung der Stammbücher der Stadtbibliothek Nürnberg: Die Stammbücher und Stammbuchfragmente der Stadtbibliothek Nürnberg / bearb. von Werner Wilhelm Schnabel. - Wiesbaden : Harrassowitz, 1995. - 1 - 3. - 31 cm. - (Die Handschriften der Stadtbibliothek Nürnberg ; Sonderband). - ISBN 3-447-03629-X : DM 282.00. (zurück)

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