Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 9(2001) 1
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Walford's guide to reference material


01-1-001
Walford's guide to reference material . - 8. ed. - London : Library Association Publishing. - 31 cm
[5728]
Vol. 2. Social and historical sciences, philosophy and religion / ed. by Alan Day and Michael Walsh. - 2000. - XI, 794 S. - ISBN 1-85604-369-X : œ 135.00, DM 498.00 (K. G. Saur, München)

Zu den am häufigsten in IFB und ihrem Vorgänger rezensierten Werken gehört der inzwischen in jährlichen Neubearbeitungen der Teilbände erscheinende, nach seinem - inzwischen im hohen Alter von 94 Jahren verstorbenen - Begründer als Walford zitierten Führers zu Informationsmitteln.[1] Der Abstand zur Vorauflage beträgt beim vorliegenden Band zwar nur zwei Jahre, in Wirklichkeit sind es aber deren drei, wenn man den jeweiligen Berichtsstand zugrunde legt: Mitte 1997 damals, 1999 jetzt, wobei jeweils möglichst noch Titel bis zur Drucklegung berücksichtigt wurden. Die Zahl der durchnumerierten Titel ist nur geringfügig von 8183 auf 8204 angestiegen; da - von Aktualisierungen abgesehen - zahlreiche Titel erstmals berücksichtigt wurden,[2] konnte die eigentlich zu erwartende Zunahme nur durch die Tilgung von einer entsprechenden Zahl älterer Titel ausgeglichen werden: "... the opportunity has been taken to remove some titles, useful in their day, but now very much showing their age" (S. X). Welche Titel damit unter die Räder geraten sind, kann man weiter unten bei den deutschen Nationalbibliographien nachlesen. Daß sich die Bearbeiter im Geschäft des Aussonderns dadurch leichter taten, daß sie jetzt viele spezielle länderbezogene Informationsmittel durch Verzeichnung der neuen Bände und neuen Auflagen der beiden Reihen Historical dictionaries ... (Scarecrow Press) und World bibliographical series (Clio Press) ersetzen konnten, spricht nicht primär für ihr Qualitätsbewußtsein, sondern nur dafür, daß englischsprachigen Informationsmittel unabhängig von ihrer Qualität der Vorzug vor Werken in anderen Sprachen eingeräumt wird. Zwar hieß es schon seit eh und je und so auch jetzt wieder "geographical scope is international, but with an emphasis on English-language material" (S. IX), doch kann man auf weite Strecken inzwischen nicht mehr von "emphasis" sprechen, wenn in Wirklichkeit ein Kahlschlag bei nicht englischsprachigen Titeln stattfindet. Dies sei im folgenden an zwei Bereichen - Philosophie und deutsche Nationalbiographien bzw. deutsche Geschichte - exemplifiziert.

Unter den 28 Enzyklopädien und Handbüchern zur Philosophie (Nr. 61 - 88) finden sich nur ein italienischer und ein deutscher Titel[3] und unter den 53 Titeln zur Geschichte der Philosophie findet sich gerade ein französischsprachiger Titel, und das Ergebnis wird auch nicht dadurch akzeptabler, wenn man die eine oder andere englische Übersetzung aus dem Deutschen oder Französischen ausnimmt, zumal es sich dabei z.T. um Werke handelt, auf die das oben zitierte Kriterium "now very much showing their age" in besonderer Weise zutrifft.[4] Nur wenig besser steht es mit den Informationsmitteln zu der relativ kleinen Zahl von einzeln hervorgehobenen Philosophen (Nr. 16 - 58), bei denen nolens volens insbesondere Personalbibliographien aus nicht englischsprachiger Produktion zu berücksichtigen waren; freilich wird auch hier inferioren Titeln in englischer Sprache der Vorzug vor wesentlich besseren in anderen Sprachen gegeben.[5] Überhaupt ist die Gliederung dieses Abschnitts alles andere als schlüssig, da unter der Rubrik Bibliographies, zu der auch die Abschnitte für die einzelnen Philosophen gehören, keineswegs bloß Bibliographien verzeichnet sind, sondern auch andere Typen von Informationsmitteln.[6] Das sind nur wenige Beispiele und es gibt kaum einen Philosophen, zu dem man nicht bessere und aktuellere Informationsmittel als die hier verzeichneten nennen könnte. - Daß nach dem Gesagten der Grundriss der Geschichte der Philosophie[7] weiterhin fehlt, braucht nicht zu verwundern.[8]

Die Krönung an Ignoranz - die Bearbeiter mögen das harsche Urteil nachsehen (wenn sie es denn zur Kenntnis nehmen und verstehen) - bietet freilich der Abschnitt für die deutschen Nationalbiographien (Nr. 5784 - 5789). Von den beiden kurzbiographischen Zeitgenossenlexika[9] abgesehen, stammen alle anderen Titel aus dem Hause Saur: dabei gibt es natürlich gegen die Verzeichnung der einschlägigen biographischen Archive keinen Einwand. Wenn aber als einzige deutsche "Nationalbiographie" nur noch die Deutsche biographische Enzyklopädie in ihrer noch gar nicht einmal erschienenen englischen Übersetzung u.d.T. Dictionary of German national biography (Nr. 5784) angeboten wird, dagegen ADB und NDB nicht einmal mehr in einer Fußnote erwähnt werden, ist beim Walford endgültig die Grenze zur Unseriosität überschritten.

Unter den 34 Titeln zur deutschen Geschichte (Nr. 7256 - 7289) sind gerade fünf deutschsprachige; keine einzige Bibliographie zur deutschen Geschichte insgesamt findet Berücksichtigung, das 19. Jh. ist mit der Bismarck-Bibliographie sicherlich nicht adäquat vertreten, und bei den immerhin vier Bibliographien zur NS-Zeit (auf die sowieso mit 17 Titeln die Hälfte der ganzen Ausbeute entfällt) handelt es sich allesamt um Titel aus anglo-amerikanischen Ländern mit entsprechender inhaltlicher Beschränkung. Da tröstet es wenig, wenn für die italienische Geschichte nur ganze acht Titel angeboten werden, darunter nur zwei italienische Titel, von denen der eine (Nr. 7359) nur so von Fehlern strotzt (mit Fremdsprachen haben es die Bearbeiter auch in dieser Hinsicht nicht).

Das Urteil über den Walford kann für alle nicht anglo-amerikanischen Bereiche und für die Kulturwissenschaften im besonderen, nur negativ ausfallen. Selbst Benutzer in diesen Ländern werden sich, sofern sie sich ernsthaft informieren wollen, wozu eben auch eine gewisse Beherrschung von Fremdsprachen gehört, auf diese Auswahl nicht verlassen können, von Benutzern in anderen Ländern ganz zu schweigen. Bibliotheken in nicht-anglophonen Ländern werden den Walford nur wegen seiner Informationen über die anglo-amerikanischen Ländern und die durch deren Kultur geprägte Regionen erwerben. Eine Ausnahme macht hier lediglich Teilband 1 für Naturwissenschaften, Medizin und Technik,[10] wobei allerdings die geschilderten negativen Aspekte auch dort zutage treten, wenn man sich auf den Bereich der Geschichte dieser Disziplinen begibt.

Eine Internet-Version des Walford ist im neuesten Verlagskatalog bereits angekündigt; auf diese soll zusammen mit dem dort gleichfalls für das erste Quartal 2001 angekündigten 8. Auflage von Teilband 3 zu gegebener Zeit eingegangen werden.

Klaus Schreiber


[1]
Vgl. die Rezension von Teilbd. 1 der derzeit laufenden 8. Aufl.: Vol. 1. Science and technology / ed. by Marilyn Mullay and Priscilla Schlicke. - 1999. - XII, 687 S. - ISBN 1-85604-341-X : œ 135.00 in IFB 99-1/4-002 sowie die der 7. Aufl. von Teilbd. 2 (1998) in IFB 98-3/4-171. (zurück)
[2]
Die in der Einleitung (S. X) genannten Zahlen sind nicht ganz eindeutig: Für den 'ersten Teil' des Bandes (wobei man vermuten kann, daß es sich um die DK-Gruppen 1, 2 und 3 handelt) werden ca. 450 Neuzugänge und ebensoviele Aktualisierungen vermeldet, für die DK-Gruppe 9 sind es ca. 650 neue und über 500 aktualisierte Eintragungen. (zurück)
[3]
Historisches Wörterbuch der Philosophie, das mit veraltetem Stand verzeichnet ist: es fehlt Bd. 9 (1995) und 10 (1998). (zurück)
[4]
So z.B. die zuerst 1972 erschienene englische Übersetzung eines Werks von É. Gilson (Nr. 111), die auf dem Französischen Original von 1922 bzw. 1944 basiert. (zurück)
[5]
So bei Rousseau (Nr. 45); auch die gleichfalls in der letzten Rezension dieses Bandes als fehlend beanstandete, bereits 1993 erschienene Fortsetzung der Sartre-Bibliographie für die Berichtszeit 1980 - 1992 ist weiterhin nicht verzeichnet. (zurück)
[6]
A Kant dictionary (Nr. 11) steht außerhalb des Abschnitts Kant , in dem man als einziges deutschsprachiges Werk das Kant-Lexikon von 1930 im Reprint von 1964 findet. Daß die neue Kant-Bibliographie von 1999 (vgl. IFB 00-1/4-127) fehlt, mag damit zusammenhängen, daß sie den Bearbeitern noch nicht begegnet ist, doch möchte man nicht die Hand dafür ins Feuer legen, daß sie in der nächsten Auflage gegen die unter Nr. 29 verzeichnete Selective bibliography on Kant (1978, 68 S., hektographiert) obsiegen wird. - Auch Heidegger kommt erstmals mit einem eigenen Titel vor, allerdings unter Encyclopedias & dictionaries; eine eigene Rubrik wird ihm im Gegensatz zu Wittgenstein (auch nur ein Titel) nicht zugestanden. (zurück)
[7]
Zuletzt IFB 00-1/4-095-096. (zurück)
[8]
Bei den Informationsmitteln zur Religion (DK-Gruppe 2) sieht es kaum besser aus. Von den deutschen allgemeinen Lexika und Enzyklopädien sind nur die RGG (Nr. 395 mit der 3. Aufl., die seit 1998 erscheinende 4. Aufl. ist noch nicht bekannt) und die TRE (Nr. 576) berücksichtigt, das LThK wurde schon immer ignoriert, so wie auch die crème der französischen Lexika. - Ein Blick in das Titelregister liefert den schlagenden Beweis für die Einseitigkeit des Walford: die Eintragungen unter dictionary füllen gut fünf Spalten, die unter dictionnaire passen auf eine knappe Spalte, dizionario hat gerade vier und Lexikon sogar nur drei Eintragungen. (zurück)
[9]
Wer ist wer? und Who's who in Germany (letzteres ohne den Hinweis, daß es Erscheinen eingestellt hat. (zurück)
[10]
Zur 8. Aufl. von Teilbd. 1 vgl. IFB 99-1/4-002. (zurück)

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