Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 8(2000) 1/4
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Metzler-Lexikon-Antike


00-1/4-370
Metzler-Lexikon-Antike / hrsg. von Kai Brodersen und Bernhard Zimmermann. - Stuttgart ; Weimar : Metzler, 2000. - VI, 703 S. : Ill., Kt. ; 24 cm. - ISBN 3-476-01610-2 : DM 78.00
[5763]

Es besteht gewiß kein Mangel an deutschsprachigen Nachschlagewerken zur Antike.[1] Dennoch meint der Verlag, für das Metzler-Lexikon-Antike (MLA) eine bisher nicht besetzte Nische entdeckt zu haben, nämlich "dass ein modernes einbändiges Nachschlagewerk fehlt, das alle Bereiche der griechisch-römischen Antike von der Frühzeit bis in die Spätantike abdeckt ... zumal in der Zeit der interdisziplinären Zusammenarbeit ein erster unkomplizierter Zugriff auf die Antike immer mehr wünschenswert erscheint" (Vorwort, S. V).

In der Tat sind die großen Lexika wie die aus demselben Verlag stammende Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE) und Der kleine Pauly in der Benutzung gewöhnungsbedürftig und auch nicht mehr aktuell, wohingegen Der neue Pauly[2] zwar aktuell ist, jedoch nicht das Kriterium der Einbändigkeit erfüllt. Die meisten einbändigen Lexika befassen sich hingegen mit speziellen Aspekten. Einbändige Lexika, die ebenfalls versuchen, den ganzen Bereich der Antike abzudecken, werden unten mit dem MLA verglichen.

Das MLA wendet sich in erster Linie an Nicht-Fachleute. Latein- oder Griechischkenntnisse werden nicht vorausgesetzt. Die gezeichneten Artikel gehen meistens von sehr engen Stichwörtern aus, die aus allen Bereichen der antike Welt stammen (Personen, Geographica, Realien, Abstrakta, viele Dinge aus dem Alltagsleben, literaturwissenschaftliche Fachbegriffe, auch die altertumswissenschaftlichen Disziplinen werden vorgestellt). Neben Stichwörtern, die nur mit einem kurzen Satz erklärt werden (hier v.a. Termini aus dem Bereich der Literaturwissenschaft, aber z.B. auch Lebes, Bonus Eventus, Tethy) gibt es einige wenige, die mehrere Spalten umfassen (Aristoteles, Athen, Herakles, Sokrates). Im ganzen macht die Auswahl der Artikel einen ausgewogenen Eindruck. Am Ende der meisten Artikel findet man Literaturhinweise (v.a. Monographien), wobei das Vorkommen oder Fehlen weder erläutert wird, noch sich von selbst erklärt. Für ein Nachschlagewerk, das den Anspruch erhebt, "modern" zu sein, sind viele bibliographische Hinweise jedoch zu alt und man kann sich nicht des Eindrucks erwehren, daß einige Artikel-Verfasser einfach den erstbesten Titel aus ihrem Zettelkasten zitiert haben, ohne sich die Mühe zu machen, nach neuerer Literatur zu suchen. Schwarz-weiß-Photos sowie Skizzen dienen der Veranschaulichung und Erläuterung, und sind bei manchen Artikeln auch sehr hilfreich (z.B. S. 372 Mechanisches Tempelwunder). Überflüssig sind die Abbildungen von Portraitbüsten bei vielen Personen-Artikeln, wobei die Zuordnung auch nicht immer unproblematisch ist (s. z.B. Marius und Sulla[3]). Die meisten Stadtpläne und Ortsskizzen sind mit denen des Lexikons Antike Stätten am Mittelmeer[4] gleichfalls aus dem Hause Metzler identisch.

Sehr nützlich ist der fast fünfzigseitige Anhang (S. 657 - 703). Er enthält eine Zeittafel, eine Tabelle der römischen Kaiser (bis Justinian), Stammbäume zur Mythologie, Tabellen für Maße und Gewichte, eine Bibliographie sowie eine Quellenkunde (zusammengestellt von Kai Broderson). Die um Aktualität bemühte Bibliographie verzeichnet wichtige einführende Literatur, Nachschlagewerke und Bibliographien. Bei der RE, dem Handbuch der Altertumswissenschaften und The Cambridge ancient history werden alle Bände aufgeführt, zur RE gibt es darüber hinaus auch noch wichtige Hinweise zur Benutzung. Erwähnt werden auch die elektronischen Informationssysteme (DYABOLA, Database of Classical Bibliography, Gnomon).[5] Ebenso wird auf die Volltextdatenbanken Thesaurus linguae graecae[6] und die Bibliotheca Teubneriana latina[7] verwiesen. Leider fehlt ein Hinweis auf die Internet-Version von Gnomon.[8] Sehr informativ ist auch die Quellenkunde Woher wissen wir etwas über die Antike? Hier findet der Benutzer wichtige Quelleneditionen. So interessant und wichtig die hier vorgestellten Informationen auch sind, ist der angesprochene Leserkreis zunächst überfordert, da er mit originalsprachigen Quelleneditionen nichts anfangen kann. Es fehlt eine Bibliographie brauchbarer Übersetzungen bzw. zweisprachiger Ausgaben.

Im folgenden soll das MLA kurz mit anderen neuen, einbändigen deutschsprachigen Lexika verglichen werden. Dazu bieten sich Reclams Lexikon der Antike[9] (RLA), das Kleine Lexikon der Antike[10] sowie das Wörterbuch der Antike[11] an. Auf den ersten Blick scheinen das RLA und das MLA vom Titel und Umfang her dasselbe zu bieten, beträgt doch das Verhältnis des Umfangs des lexikalischen Hauptteils 656 S. zu 688 S. Im Vorwort des RLA ist wenigstens ein zeitlicher Rahmen gesetzt und die Verfasser gehen auf die Problematik der Namensansetzung bei antiken Personen ein, solche Hinweise bietet das MLA nicht. Das RLA legt seinen Schwerpunkt jedoch klar auf die antike Literatur (hier auch Sucheinstiege unter dem Titel eines antiken Werkes) und will dabei auch Geschichte, Mythologie, Religion, Kunst, Philosophie und Alltagsleben behandeln, während das MLA von vornherein alle Bereiche berücksichtigen möchte, ohne einen Schwerpunkt zu setzen. Letzteres hat freilich mehr Artikel, ist jedoch im Einzelfall weniger ausführlich.

Im Vergleich mit dem Kleinen Lexikon der Antike (KLA) und dem Wörterbuch der Antike (WA), die ebenfalls alle Bereiche der Antike abdecken wollen, ist es schwer, eindeutig Präferenzen zu setzen. Alle drei Lexika können ergänzend benutzt werden. Mal ist das eine ausführlicher, mal das andere. Das MLA kann auf keinen Fall die beiden älteren ersetzen.

Fazit: Wer seine Allgemeinbildung im Bereich der Antike vertiefen möchte (in den Schulen wird heute aus naheliegenden Gründen nur noch rudimentäres Wissen über die Antike vermittelt), oder der laienhaft am Altertum "Interessierte", ist mit dem MLA gut bedient. Für Schul- und öffentliche Bibliotheken ist das MLA sicherlich obligatorisch. Wissenschaftliche Bibliotheken können sich die Anschaffung sparen. In der letzten Ausgabe der Liste der fachlichen Nachschlagewerke[12] wurde es auch nicht berücksichtigt, was auch daran liegen kann, daß es noch zu neu war.

Kai Heßling


[1]
Wenn man außer den allgemeinen Lexika zur Antike noch spezielle, etwa zur Literatur oder Mythologie hinzunimmt, kommt man leicht auf drei Dutzend Titel. Auch die zahlreichen (unveränderten) Taschenbuch- bzw. Sonderausgaben sprechen dafür, daß hier ein breiter Markt bedient wird, letztlich der von Laien, die in der Schule nicht mehr mit der Materie bekanntgemacht werden, die sich aber trotzdem für die Antike interessieren. - Zahlreiche dieser Lexika wurden in IFB und ABUN besprochen und sind über die Generalregister nachweisbar. Im folgenden werden nur einige wichtigere neuere Titel unter Hinweis auf die Fundstelle der Rezension aufgeführt. [sh] (zurück)
[2]
Zu allen dreien vgl. IFB 98-1/2-148 - 149. (zurück)
[3]
Vgl. Bildnis und Botschaft : hermeneutische Untersuchungen zur Bildniskunst der römischen Republik / Luca Giuliani. - 1. Aufl. - Frankfurt am Main : Suhrkamp, 1986. - 335 S. : Ill. - ISBN 3-518-57818-9. (zurück)
[4]
IFB 99-1/4-414. (zurück)
[5]
IFB 97-3/4-399 - 401. (zurück)
[6]
Thesaurus linguae Graecae CD ROM / TLG Project. - Irvine, Calif. : TLG Project, University of California, 1992. - 1 CD-ROM. - Nebent.: TLG-CD-ROM. - Vgl. http://www.tlg.uci.edu/ (zurück)
[7]
Bibliotheca Teubneriana latina : BTL / curante CETEDOC. - Stuttgart [u.a.] : Teubner [u.a.]. - 1 (1999). - 1 CD-ROM + Benutzerhandbuch. (zurück)
[8]
http://www.gnomon.ku-eichstaett.de/Gnomon/Gnomon.html (zurück)
[9]
Reclams Lexikon der Antike / hrsg. von M. C. Howatson. - Stuttgart : Reclam, 1996. - 708 S. : Ill., Kt. ; 25 cm. - Einheitssacht.: The Oxford companion to classical literature <dt.>. - ISBN 3-15-010417-3 : DM 118.00 [3313]. - Rez.: IFB 98-3/4-302. (zurück)
[10]
Kleines Lexikon der Antike : umfassend die griechisch-römische Welt von ihren Anfängen bis zum Beginn des Mittelalters (6. Jahrhundert n. Chr.) / Otto Hiltbrunner. Unter Mitarb. von Marion Lausberg. - 6., völlig neu bearb. und erw. Aufl. - Tübingen ; Basel : Francke, 1995. - XVI, 654 S. ; 19 cm. - (Sammlung Dalp). - ISBN 3-7720-1036-9 : DM 48.00 [2889]. - Rez.: IFB 96-1-101. (zurück)
[11]
Wörterbuch der Antike : mit Berücksichtigung ihres Fortwirkens / begr. von Hans Lamer. Fortgef. von Paul Kroh. - 10., verb. und erg. Aufl. - Stuttgart : Kröner, 1995. - XII, 832 S. ; 18 cm. - (Kröners Taschenausgabe ; 96). - ISBN 3-520-09610-2 : DM 43.00 [2747]. - Rez.: IFB 96-1-100. (zurück)
[12]
Liste der fachlichen Nachschlagewerke zu den Normdateien (SWD, PND, GKD) / Bearb.: Die Deutsche Bibliothek. - Ausgabe Oktober 1999. - Frankfurt am Main. - 1999. - 172 S. - ISSN 1438-1133. (zurück)

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