Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 8(2000) 1/4

Vinyl-Lexikon


00-1/4-300
Vinyl-Lexikon : Wahrheit und Legende der Schallplatte ; Fachbegriffe, Sammlerlatein und Praxistips / Frank Wonneberg. - Berlin : Lexikon-Imprint-Verlag, 2000. - 448 S. : Ill. ; 21 cm. - ISBN 3-89602-226-1 : DM 29.80
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Bei jedem Medienwechsel wurde bisher immer auch der Tod des vorhergehenden, als überholt geltenden Mediums vorhergesagt. Nicht immer jedoch starb dieses Medium dann auch wirklich. So hat das Fernsehen den Rundfunk und das Kino nicht ersetzt, sondern ergänzt; die Zeitschrift und digitale Medien haben das Buch nicht überflüssig gemacht; das Telephon erlebt seine Renaissance durch das Handy. Ausgestorben oder fast verschwunden sind jedoch der Telegraph, das Magnettonband, das Pergament, die Felseninschriften und Tontafeln. Nahezu oder vollständig verschwunden sind auch angeblich neue Medien wie die Diskette, die Magnettrommel, die klassische Bildplatte. Es muß also Kriterien für das Verschwinden oder Überlebens eines Mediums geben.

Bei der Schallplatte kann man sich gar nicht mehr so sicher sein; sie galt lange Zeit als tot durch die Umstellung der Musikindustrie auf die digitale Audio-CD und in deren Gefolge die Daten-CD und die heute etablierte DVD. Immer wieder tauchte jedoch die Schallplatte wieder auf, behielt ihre alten und bekam ihre neuen Fans; erstaunlicherweise wurde die LP durch die Disco- und DJ-Szene wieder salonfähig. Das vorliegende Vinyl-Lexikon befaßt sich im Untertitel mit der "Wahrheit und Legende der Schallplatte". Neben vielen technischen Grundbegriffen über die Herstellung und Wiedergabe der Schallplatte (also Tonaufnahme, Mastering, Vinyl, Cover, Aufzeichnungs- und Wiedergabekennlinien, Tonabnehmer, Tonarme, Schallplattenspieler usw.) enthält der Band über 100 Porträts von Schallplattenfirmen und Labels von A&M Records bis Zapple Records. Die Seiten 202 bis 267 enthalten die einzigen schwarzweißen Abbildungen des Lexikons, nämlich Abbildungen von Labels in teilweise aber unlesbarer Qualität.

Für den Laien banal klingende Begriffe wie Abdeckhaube; Aufstellen des Plattenspielers; Aussenhülle; Bewertung, gehörrichtige; Nadelgeräusch; Postkarte, klingende; Rückantwortkarte; Rumpeln stehen neben exotischen Begriffen wie Dum Dum-Pressung, Mitlaufbesen, Schallplattenwaschmaschine, Ping Pong-Stereo oder Schneewittchensarg. Komplexe technische Begriffe wie Antistatikemulsion, Azimutfehler, Elektret-Abtastsystem, Flipback Sleeve, Reibradantrieb oder Rillenauslenkung werden allgemeinverständlich erläutert. Begriffe wie Tonband sucht man vergeblich, findet dafür jedoch beim Querlesen Aufzeichnungsverfahren, Heimtongerät, Original-Master(band), Reel-To-Reel Tape oder Urband. Auch bedeutende Hersteller wie Technics oder Dual fanden Eingang. Das Internet als Informations- oder Verweisquelle taucht nicht auf, sieht man von dem Eintrag AOL ab, der jedoch nur wegen die Fusion mit Time-Warner erfolgte. An Zeitschriften werden Goldmine und Oldie Markt aufgeführt.

Begriffe wie Esoterik und Voodoo zeugen von der Mystifizierung der Schallplatte, wie sie in einigen Kreisen wohl betrieben wird. Beim Artikel Diskologie bedauert der Autor die "fehlende diskologische Aufarbeitung der letzten 120 Jahre". Nach seiner Auffassung führt die "umfassende Digitalisierung aller historischen Musikaufzeichnungen ... zum Verlust der technischen Authentizität von Tonproduktion und -reproduktion ... der Inhalt ist unsterblich, seine ursprüngliche Erscheinung und Anmutung ... sind ... nur noch im Archiv/Museum zu erleben". Diese wichtigen Aspekte wären es wert, gründlich vertieft zu werden; leider reichen hierfür der Platz und die Zeit für diese Rezension nicht aus. Schade, daß im Vinyl-Lexikon Schallplattenarchive wie das Deutsche Musikarchiv, das Bremer Pop-Archiv oder das Darmstädter Jazzinstitut (und andere) keine Erwähnung finden ebensowenig wie Schallplattenvertriebsfirmen oder bedeutende Schallplattenbörsen.

Bernhard Hefele


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