Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 8(2000) 1/4

Jüdische Kunst- und Kulturdenkmäler in Deutschland in1


00-1/4-226
Jüdische Kunst- und Kulturdenkmäler in Deutschland in1 neuen Spezialinventaren und inventarähnlichen Verzeichnissen
von
Angela Karasch

Überlieferung und Erinnerung bedingen einander. Formen der Überlieferung entscheiden dabei nicht unwesentlich über spätere Formen und Möglichkeiten der Erinnerung, sie markieren und beeinflussen Erinnerungswerte. Es liegt auf der Hand, daß in diesem Zusammenhang wissenschaftlicher Dokumentation und Inventarisation ein besonderer Stellenwert zukommen muß, daß sie zu Eckpfeilern der Gedächtniskultur werden. Aber selbst hier ist die Art und der Grad der Differenzierung und der methodischen Reflexion entscheidend für die spätere Strukturierung von Erinnerung. So hat beispielsweise die deutsche Denkmalpflege im Laufe der letzten ein, zwei Jahrzehnte erkannt, daß es gerade auch auf ihrem Arbeitsgebiet eine über die üblichen Formen der Definition, der Registrierung und Verzeichnung von Denkmälern und Kulturgütern hinausgehende Verpflichtung geben kann, Zeugnis zu geben und Erinnerung zu sichern. Dies betrifft insbesondere die nach den Zerstörungen und Verwüstungen der Nazizeit verbliebenen Zeugnisse jüdischer Kultur und jüdischen Lebens in Deutschland, wird hier doch besonders offensichtlich, daß gängige Maßstäbe für Registrierung, Beschreibung und Erhaltungswürdigkeit von Relikten der Vergangenheit nur bedingt ausreichen, um angemessene Formen des Erinnerns auf Dauer zu gewährleisten. Aufgabe war und ist es daher, dem Verlust der herausragenden Zeugnisse jüdischer Kultur und ihrem daraus resultierenden (partiellen) Verschwinden auf der Ebene der gegenwartsbezogenen Denkmaldokumentation und Inventarisation nicht automatisch noch das Verlöschen der Erinnerung an die vergangene jüdische Kultur in Deutschland insgesamt folgen zu lassen. Daher konnte es auf Dauer nicht genügen, allein die herausragenden zerstörten Denkmale im historischen Dokument mehr oder weniger im Bewußtsein zu halten, wie dies vor allem seit den siebziger Jahren in Form von Überblicksdarstellungen und/oder Bildbänden erfolgte oder in Inventaren in Form eines Hinweises auf abgegangene Denkmäler Eingang fand. Vielmehr galt es nun, vor der Folie der tiefgreifenden Zerstörung des prominenten Bau- und Kunstdenkmälerbestandes die künftigen Überlieferungsmaßstäbe und Erinnerungsfunktionen zu überdenken und neu zu positionieren, den bisher zugrundegelegten Denkmalbegriff zu weiten, folglich nun vor allem die verbliebenen, bislang aber übersehenen oder auch nur nicht als verzeichnungs- und beschreibungswürdig angesehenen Kulturobjekte gezielter zu erforschen, zu dokumentieren und bekanntzumachen, zugleich aber auch ihren aktuellen Zustand und die jeweiligen Kontexte und Nutzungen zu reflektieren und gegebenenfalls zu korrigieren. Der besonderen Verpflichtung der Gedächtnispflege auf diesem Gebiet entsprechend liegen seit einigen Jahren erste Ergebnisse dieser vertieften und veränderten Hinwendung auch als Spezialpublikationen vor. Spezialinventare sind auch hier die der Dokumentation spezifische Antwort auf die Belange einer besonderen Erinnerungssicherung.

Bayern


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