Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 8(2000) 1/4
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Theologische Literatur des Mittelalters in Bulgarien und


00-1/4-146
Theologische Literatur des Mittelalters in Bulgarien und Serbien 865 - 1459 / Gerhard Podskalsky. - München : Beck, 2000. - VIII, 578 S. ; 25 cm. - ISBN 3-406-45024-5 : DM 198.00
[5881]

Um in der Wissenschaft zum Begriff zu werden, reicht in der Regel die Autorschaft eines Handbuchs. Podskalsky legt mit der anzuzeigenden Arbeit neben anderen Veröffentlichungen von Gewicht bereits das dritte Handbuch vor. Auf die Frage nach dem Podskalsky kommt die Gegenfrage, ob der russische,[1] der griechische[2] oder nun der serbisch-bulgarische Podskalsky gemeint ist. Jedes dieser Handbücher läßt den Autor zum Begriff werden. Wenn diese Handbücher auch vergleichbare Anlagen haben, so ist doch die jeweilige Arbeitsleistung imponierend-einmalig. Bereits der Inhalt des Werkes charakterisiert die Leistung in bestimmten Punkten.

Auf Geleitwort (S. V - VI) und Vorwort (S. VII - VIII) folgen A. Einleitung (S. 2 - 14), B. Geschichtlicher Überblick (S. 15 - l68) in 11 Abschnitten, C. Hauptteil: Die theologische Literatur des Mittelalters in Bulgarien und Serbien (865 - 1459) (S. 169 - 524) in Gattungsabschnitten (9), D. Nachwort: Wegzeichen der (orthodoxen) südslavischen Theologie (S. 525 - 527), E. Anhang: Listen der geistlichen und weltlichen Autoritäten in 6 Abschnitten (S. 529 - 533) und F. Register (S. 535 - 559), die jeweils dreispaltig einmal Autoren, Titel, Personen und Sachen, zum anderen ein Autorenverzeichnis zur Sekundärliteratur bieten.

Als herausragende Leistungen sind zu nennen: die geschichtliche, gründlich-solide Einbettung des Themas, die gut berücksichtige Wissenschaftsgeschichte und die Erwähnung von Kirchenbau, Kirchenmalerei, Kirchenmusik (S. 152 - 165), die die Orthodoxie als Gesamtkunstwerk erscheinen läßt. Die spürbare Absicht, der Aktualität grundsätzlich, aber mit gebotener Zurückhaltung Rechnung zu tragen, verrät der Abschnitt Bulgarien-Makedonien-Serbien: drei gleichwertige Ausprägungen einer (orthodoxen) südslavischen Kultur? (S. 165 - 168). Es geht dem Autor überzeugend um die Schärfung des Profils der serbischen und bulgarischen Orthodoxie, das - im Mittelalter geprägt und angelegt - bis heute erkennbar ist.[3]

Umfängliche Stichproben der Register lassen immer wieder über Präzision und Fülle der verarbeiteten Literatur staunen, die sogar gelegentlich mit Kurzkommentaren versehen ist. Angesichts dieser Leistung empfindet der Rez. eine sehr spürbare Scheu, Ergänzungen vorzuschlagen, die unter keinen Umständen als Kritik aufzufassen sind. Sie betreffen die Bibliographie,[4] Arbeiten von Döpmann,[5] Miletic,[6] Dinekov,[7] Krustev.[8] Als äußerst positiv fällt die Berücksichtigung von Rezensionen auf, die naturgemäß die Frage nach Ergänzungen aufwirft, wie im Falle von Matthes[9] und Bremer.[10] Daß eine Geringfügigkeit wie eine Transliteration[11] dem Rez. auffiel, wolle man ihm nachsehen, enbenso eine andere formale Quisquilie.[12] Die Geschichte der Balkanländer von E. Hosesch (Fußnote 16) hat nach der zitierten Auflage von 1988 eine 3. Auflage 1996 erfahren.

Das Buch paßt durchaus in die wissenschaftliche Zeitgeschichte. Arbeiten von F. Thomsen[13] und R. Zlatanova,[14] die sich der hier nicht behandelten biblischen Bücher annehmen, beweisen es. Gewicht und Bedeutung dieses Buches gehen weit über das behandelte Thema hinaus. Es hat einmal eine hochschulpolitische Dimension. Gegenwärtig gewinnt man den Eindruck, die Universitäten sparten primär an den kleinen Fächern. Ob eine Universität 8 oder 9 Germanisten hat, ist nicht so wichtig, ob aber einen oder keinen Indologen, Osteuropahistoriker sehr wohl. Eine Universität, die fast ausschließlich von Themen, Niveau und Methoden der Massenfächer geprägt ist, verdient kaum ihren Namen. Zum anderen ist eine politische, genauer europapolitische Dimension anzusprechen. Der Rez. hat mehrfach auf die Bedeutung kleiner Völker für Europa hingewiesen.[15] Erst wenn sie Europa als ihr Europa begreifen, ist Europa gelungen. Schließlich, eng damit verbunden, spricht das Buch die geistigen Grundlagen Europas an. Es macht implizit darauf aufmerksam, daß ohne die geistigen Grundlagen Europa kaum lebensfähig entsteht, weil "leider! nur das geistige Band" fehlt.[16]

Des weiteren hilft das Buch der ökumenischen Frage durch Profilschärfung seines Gegenstandes. Katholisch oder protestantisch mag die ökumenische Frage unterschiedlich gestellt sein, ohne die geistigen Grundlagen der Orthodoxie fragt sie ins Leere.

Der hochgebildete Autor, der hervorragend die Tradition der Münchner Byzantinistik, Slavistik und Kirchengeschichte repräsentiert, bezeugt letztlich auch durch diese Arbeit die Notwendigkeit des Buches als kulturell und wissenschaftlich unverzichtbar.[17] Ein höchst ungewöhnlicher großer Dank ist abzustatten. Er kommt von Byzantinisten, Slavisten, Mediävisten, Kirchenhistorikern und Balkanologen. Hinzu kommen alle, denen die vielfältige Kultur Europas am Herzen liegt. Ein Handbuch liegt vor, das nichts seinesgleichen hat, grundlegend bleiben wird und grundsätzlich nicht überholbar ist.

Horst Röhling


[1]
Christentum und theologische Literatur in der Kiever Rus' 988 - 1273 / Gerhard Podskalsky. - München : Beck, 1982. - XIII, 361 S. - ISBN 3-406-08296-3 : DM 68.00. - Rez.: Mitteilungsblatt / Verband der Bibliotheken des Landes Nordrheinwestfalen. - 33 (1983), S. 71 - 73. Die IBR verzeichnet in 14,2 (1984), S. 193, 16,2 (1986), S. 329, 17,2 (1987), S. 1320 und 18,2 (1988), S.1012 fünf weitere Rezensionen. (zurück)
[2]
Griechische Theologie in der Zeit der Türkenherrschaft 1453 - 1821 : die Orthodoxie im Spannungsfeld der nachreformatorischen Konfession des Westens / Gerhard Podskalsky. - München : Beck. - XIV, 439 S. - ISBN 3-406-32302-2 : DM 68.00 (statt bisher DM 194.00). - Rez.: Mitteilungsblatt / Verband der Bibliotheken des Landes Nordrheinwestfalen. - 39 (1989), S. 104 - 105. - Die IBR verzeichnet in 20,1 (1990), S. 1594, 21,1, (1991), S. 1685 ebenfalls fünf weitere Rezensionen. (zurück)
[3]
Method und Kyrill in gegenwärtigen slavisch-orthodoxen Zeitschriften / Horst Röhling. // In: Publikationsformen als verbindendes Element buch- und einzelwissenschaftlicher Forschung an slavischen Beispielen / Horst Röhling. - Frankfurt am Main [u.a.] : Lang, 1992. - S. 97 - 106. - Eigenes und Gemeinsames in historischer und liturgischer Anamnese als Uberlebenselixier / Horst Röhling. // In: Festschrift Konrad Onasch. - Stimme der Orthodoxie. - 3 (1996). - S. 78 - 81. (zurück)
[4]
Materialien zu einer slavistischen Bibliographie (1963 - 1973) / E. Kaiser, A. Höcherl. - München : Sagner, 1973. - Materialien zu einer slavistischen Bibliographie (1973 - 1983) / E. Wedel. - München : Sagner, 1983. - Bibliographie der slavistischen Arbeiten aus den deutschsprachigen Fachzeitschriften 1876 - 1963 / K.-D. Seemann, F. Siegmann. - Berlin [u.a.] : Harrassowitz, 1965. - 0pyt sistematiceskoj Kirillo-Metodievskoj bibliografii. - Sofija, l934. - Kirilometodievska bibliografija za 1934 - 1940 god. - Sofija, 1942. - Kirilometodievska bibliografija 1940 - l980 / I. Dujcev, A. Kirmagova, A. Paunova. - Sofija, 1983. (zurück)
[5]
Das Verhältnis des orthodoxen Bulgarien zu Rom im 13. Jahrhundert / H.-D. Döpmann. // In: Festschrift Konrad Onasch. - Stimme der Orthodoxie. - 3 (1996), S. 61 - 67 (zurück)
[6] Nasite pavlikjani : Istorija, etnografija, kniznina / Lj. Miletic. // In: Sbornik za narodni umotvorenija, nauka i kniznina. - 19 (1903),1, S. 1 - 369. (zurück)
[7]
Staro-balgarski stranici : antologija / D. Dinekov. - Sofija, 1968. (zurück)
[8]
Bulgarian music / V. Krustev. - Sofija, 1978. (zurück)
[9]
Zu Fußnote 999: Wolfenbütteler Notizen zur Buchgeschichte. - l6 (1981), S. 75 - 76. - Die IBR nennt in 22,2 (1992), S. 724 und 23,1 (1993), S. 647 zwei weitere Rezensionen. (zurück)
[10]
Zu Fußnote 2308: Die IBR bietet in 24,1 (1994), S. 439 - 440, 25,1 (1995), S. 421 und 26,2 (1996), S. 430 drei weitere als die zitierten Rezensionen. (zurück)
[11]
Fußnote 977 muß Bacvarov transliteriert werden. (zurück)
[12]
Fußnote 38: Der 1. Band der Historischen Bücherkunde ist in 2 Teilen 1978 und 1980 erschienen. (zurück)
[13]
The Slavonic translation of the Old Testament / F. J. Thomsen. // In: Interpretation of the Bible. - Ljubljana ; Sheffield, 1998, S. 605 - 920. (zurück)
[14]
Kniga na dvanadesette proroci ... - Sofija, 1998. - Rez.: Mitteilungen / Arbeitsgemeinschaft der Bibliotheken und Dokmentationsstellen der Ost-, Ostmittel- und Südosteuropaforschung. - 19 (1999),4, S. 29 - 30. (zurück)
[15]
Z.B. Mitteilungsblatt / Verband der Bibliotheken des Landes Nordrheinwestfalen. - 45 (1995), S. 443. (zurück)
[16]
Faust I, 1939. (zurück)
[17]
Wolfenbütteler Notizen zur Buchgeschichte. - 24 (1999),1. - Das ganze Heft ist dieser Problematik gewidmet. (zurück)

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