Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 8(2000) 1/4
[ Bestand in K10plus ]

The "Poetics" of Aristotle and the "Tractatus


00-1/4-120
The "Poetics" of Aristotle and the "Tractatus Coislinianus" : a bibliography from about 900 till 1996 / comp. by Omert J. Schrier. - Leiden [u.a.] : Brill, 1998. - 350 S. ; 25 cm. - (Mnemosyne : Supplementum ; 184). - ISBN 90-04-11132-8 : Hfl. 217.50, Hfl. 191.00 (Reihen-Pr.)
[5462]

Eine umfassende Bibliographie zur Poetik des Aristoteles ist seit vielen Jahren ein Desiderat. Während in den letzten Jahrzehnten Spezialbibliographien zu verschiedenen Werken des Philosophen erschienen sind,[1] stammte die letzte entsprechende Arbeit zur Poetik aus dem Jahr 1928.[2] Schrier hat sich mit beeindruckendem Erfolg bemüht, "all relevant material" von der editio princeps (1481) bis 1996 zusammenzutragen und in mustergültiger Form zu präsentieren. Er verzeichnet zusätzlich die Literatur zum sogenannten Tractatus Coislinianus, einer erstmals 1839 edierten anonymen Abhandlung, die wiederholt als Exzerpt des zweiten, verlorenen Poetik-Buches über die Komödie bzw. als darauf beruhend angesehen worden ist. Eine umfassende, selbständig publizierte Bibliographie zu dieser Schrift fehlte bisher völlig.

Nach Aussage des Verfassers umfaßt die Bibliographie 1. alle Editionen, Übersetzungen und Kommentare zur Poetik und zum Tractatus, 2. alle Publikationen, deren Titel einen Bezug zu den beiden Werken aufweisen und 3. alle Werke, deren Titel sich zwar nicht auf die beiden Werke beziehen, die sich aber nach dem Wissen des Verfassers mit Aspekten der Poetik und des Tractatus beschäftigen. Während in Bezug auf die ersten beiden Gruppen die Sammlung kaum Wünsche offenläßt, vermißt man bei der dritten verständlicherweise Relevantes. So fehlt etwa die wohl wichtigste Behandlung des Tractatus der letzten Jahre durch Heinz-Günther Nesselrath,[3] der nachweist, daß die Schrift in der vorliegenden Form nicht unmittelbar auf Aristoteles zurückgehen kann. Im reichen Anmerkungsapparat Nesselraths findet man weitere, vor allem ältere Arbeiten, die bei Schier fehlen.[4] Eine Kontrolle der Einträge in Stichproben ergab, daß der Verfasser sehr sorgfältig gearbeitet hat.

Schrier schließt wissenschaftliche Abhandlungen über die Rezeption der Poetik in späterer Zeit ein, zeichnet aber nicht die Rezeption selbst nach. So findet sich in der Bibliographie z.B. kein Eintrag über Luthers Bezugnahme auf die Poetik in seiner Schrift An den christlichen Adel deutscher Nation, wohl aber ein einschlägiger Aufsatz.[5] Was also die Rezeption anlangt, so bleiben Cooper/Gudeman nützlich, auf allen anderen Gebieten können sie als ersetzt gelten.

Die Bibliographie besteht aus vier Teilen und sieben Indizes: die preliminary list verzeichnet Übersetzungen und Kommentare, die vor der Erfindung des Buchdrucks erschienen sind. Das Herzstück der Arbeit, die main list, führt in chronologischer Anordnung Textausgaben, lateinische Übersetzungen und die Sekundärliteratur von 1481 bis 1996 an. Die Einträge sind, wo dies vonnöten ist, annotiert. In diesen Fällen fügt Schrier Hinweise auf die diskutierten Poetik-Passagen bzw. Schlagwörter an. Daneben werden alle Rezensionen verzeichnet (diese fehlen bei Cooper/Gudeman), zusätzlich Nachdrucke und Neuauflagen. Eine list of translations und eine appendix, welche anonyme Nachdrucke oder später unter anderem Namen erschienene Editionen und Übersetzungen der Poetik verzeichnet, beschließen die eigentliche Bibliographie, die durch eine Auflistung der Editionen der Poetik sowie mehrere Register - vor allem durch den index of passages, den index of subjects, den index of Greek und den index of names in vorbildlicher Weise erschlossen wird.

Jeder Altertumswissenschaftler, der sich in Zukunft mit der Poetik und dem Tractatus beschäftigt, wird dankbar auf das hier ausgebreitete Material zurückgreifen. Aber ebenso wird die Bibliographie den Vertretern der neueren Philologien aufgrund der Einbeziehung der wissenschaftlichen Literatur zur Rezeption gute Dienste erweisen. Sie sollte trotz des hohen Preises in literaturwissenschaftlich ausgerichteten Bibliotheken nicht fehlen.

Stefan Schorn


[1]
Zu nennen sind vor allem: Aristotle's Rhetoric : five centuries of philological research / comp. with an introduction by Keith V. Erickson. - Metuchen, N.J. : Scarecrow Press, 1975. - VIII, 187 S. Ferner die italienische Ausgabe der vorstehend besprochenen Bibliographie zur Metaphysik.
Eine Gesamtbibliographie fehlt. Den besten bibliographischen Überblick bietet: Aristotle : a selective bibliography / Jonathan Barnes ; Malcolm Schofield ; Richard Sorabji. - New ed. / prepared with the assistence of Titos Christodoulou. - Oxford, 1980. - (Study aids / University of Oxford, Sub-Faculty of Philosophy ; 7). (zurück)
[2]
A bibliography of the Poetics of Aristotle / Lane Cooper ; Alfred Gudeman. - New Haven : Yale University Press, 1928. - 193 S. - (Cornell studies in English ; 11). (zurück)
[3]
Die attische Mittlere Komödie : ihre Stellung in der antiken Literaturkritik und Literaturgeschichte / Heinz-Günther Nesselrath. - Berlin [u.a.] : de Gruyter 1990, 102 -149. (zurück)
[4]
Z.B. Die Prolegomena peri komoidias / Georg Kaibel. - Berlin, 1898. - (Abhandlungen der Gesellschaft der Wissenschaften Göttingen, Philologisch-Historische Klasse ; N.F. 2,4), S. 53 - 66. - Der Mimus : ein litterar-entwicklungsgeschichtlicher Versuch / von Hermann Reich. - Berlin. - 1,1. Theorie des Mimus. - 1903, S. 245 - 255. (zurück)
[5]
Luther och Aristoteles' Poetik / E. N. Tigerstedt. // In: Lychnos. - 1960/61, S. 142 - 162. (zurück)

Zurück an den Bildanfang