Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 8(2000) 1/4
[ Bestand in K10plus ]

Les bibliothèques en France


00-1/4-072
Les bibliothèques en France / sous la direction de Dominique Arot. Avec la collab. de Emmanuel Aziza ... - Paris : Éditions du Cercle de la Librairie. - 24 cm. - (Collection bibliothèques)
[4753]
1991/97 (1998). - 315 S. - ISBN 2-7654-0706-1 : FF 250.00

Die vierbändige Geschichte des französischen Bibliothekswesens[1] lag 1992 abgeschlossen vor, zu einem Zeitpunkt, als in der nationalen Bibliotheksplanung ein neuer Elan erkennbar wurde. Nach Jahrzehnten einer eher zögerlichen Unterstützung durch die öffentliche Hand erkannte man auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene die Chancen, die sich aus einer besseren Förderung des Bibliothekssektors für die Gesellschaft ergeben können. Auf dem Weg in eine Bildungs- und Dienstleistungsgesellschaft zeigten die Planungsstäbe zunehmend Bereitschaft, höhere Finanzmittel für den Ausbau des wissenschaftlichen und des öffentlichen Bibliothekswesens bereitzustellen. Angesichts dieser neuen Ausrichtung hielt es der französische Buchhandelsverband als Verlag für angebracht, dem vierbändigen Standardwerk nach gut einem Jahrfünft eine Bestandsaufnahme zur Seite zu stellen, die die Entwicklungen seit Beginn der 90er Jahre aufzeigt.

Das erste Kapitel nimmt die Diskussion um den Neubau der französischen Nationalbibliothek am Seine-Ufer auf. Bekanntlich hat dieser Großbau weitaus mehr öffentliche Aufmerksamkeit erregt als die anderen "grands projets" der Ära Mitterrand. Nicht nur die Planungsvorgaben für eine Aufteilung der Buchbestände, sondern auch der ungewöhnliche Entwurf des Architekten Dominique Perrault sorgten für Aufsehen, das sich in lebhaften Diskussionen niederschlug, die von der französischen Presse bereitwillig aufgegriffen wurden. Als Ergebnisse dieses Prozesses kam 1994 die Bibliothèque Nationale de France zustande, die somit über zwei großräumige Gebäude verfügt. Auch die weiteren Planungsschritte (Bauphase des Neubaus, Informationstechnologie, Digitalisierung von Literaturressourcen, Katalogkonversion, Bestandserhaltung, usw.) wurden von der Tagespresse kommentiert, womit zugleich das französische Bibliothekswesen als Ganzes häufiger in die Berichterstattung geriet. Da mit der sukzessiven Öffnung der Benutzungsbereiche aber auch die Pannen für die Öffentlichkeit sichtbar wurden und zudem noch ein mehrwöchiger Streik kurz nach der offiziellen Eröffnung den Betrieb lahmlegte, ist die BNF nur langsam aus den negativen Schlagzeilen gekommen. Einige Probleme sind auch heute noch nicht gelöst (Informationssystem, Personalfragen) und manche Details des Großbetriebs werden der Verwaltung wohl noch für längere Zeit Kopfzerbrechen bereiten.

Im zweiten Kapitel werden die öffentlichen Bibliotheken in den Kommunen und den Départements (Bibliothèques départementales de prêt) abgehandelt. Die BDP sind bekanntlich 1986 in die Obhut der jeweiligen Gebietskörperschaft entlassen worden, ein Weg, der zu einer größeren Vielfalt in der Ausgestaltung dieses inzwischen flächendeckenden Service für die ländliche Bevölkerung führte. In den kleineren Kommunen sind mit kräftiger Finanzhilfe des Staates neue Bibliotheken entstanden und in größeren Gemeinden Neubauten für bestehende Bibliothekssysteme erstellt worden, so daß das Ministerium eine stetige Expansion des öffentlichen Bibliotheksnetzes verkünden kann.

Den Bibliotheken an den Schulen des Landes ist das nächste Kapitel gewidmet. Da sich aus Umfragen ein nachlassendes Leseinteresse der Jugendlichen ablesen läßt, erteilte das Erziehungsministerium ihnen den Auftrag, den Schülern die Motivation für ein eigenständiges Lesen zu vermitteln. Über den Ausbau der Schulbibliotheken und die Ausbildung speziell qualifizierter Lehrer soll eine Animation der Schüler erreicht werden. Eine enge Kooperation zwischen Schulen und kommunalen Bibliotheken soll sicherstellen, daß den Interessenten das passende Literaturangebot vermittelt werden kann. Erste Pilotprojekte wurden begonnen, eine flächendeckende Versorgung jedoch noch nicht erreicht.

In weiteren Kapiteln wird über jüngere Anwendungen der Informationstechnologie im Bibliotheksbereich referiert, Fragen der Zusammenarbeit zwischen Bibliotheken und Verlagen sowie Buchhandlungen angeschnitten, Möglichkeiten einer besseren Kooperation unter den verschiedenen Bibliothekstypen diskutiert und Probleme der historischen Büchersammlungen, insbesondere auf dem Sektor des öffentlichen Bibliothekswesens, aufgeworfen. Auffallend ist, daß in diesem Zusammenhang Fragen der Bestandserhaltung nicht erörtert werden.[2] Anschließend werden Fragen der bibliothekarischen Ausbildung diskutiert, auf Veränderungen bei der Bibliotheksbenutzung und bei einzelnen Benutzergruppen hingewiesen, und die Lage der französischen Bibliotheken im Ausland (Institut Français) dargestellt. Den Abschluß bildet eine Situationsbeschreibung einiger Spezialbibliotheken (z.B. Bibliothèque de l'Arsenal, Bibliothèque Publique d'Information), die sich aufgrund ihrer Sonderstellung einer generellen Zuordnung entziehen.

Insgesamt gelingt es den 18 Verfassern, in 13 Kapiteln ein breitgefächertes Panorama der französischen Bibliothekslandschaft in ihrer jüngsten Entwicklung auszubreiten. Die Ausführungen sind knapp gehalten, doch bieten sie ein dichtes Beziehungsgeflecht aus Fakten und Bewertungen. Das Werk ist jedem zu empfehlen, der sich mit entsprechenden Vorkenntnissen ausgestattet ein Bild der jüngeren Entwicklungen auf dem französischen Bibliothekssektors verschaffen und zugleich weiterführende Literatur zu einzelnen Themen erhalten möchte.

Gernot Gabel


[1]
Histoire des bibliothèques françaises. - Paris : Promodis. - 1 (1989) - 4 (1992). (zurück)
[2]
Der Verlag hatte jedoch in derselben Reihe ein Jahr zuvor einen Sammelband über alle Aspekte des gedruckten kulturellen Erbes vorgelegt hat:
Le patrimoine : histoire, pratiques et perspectives / sous la direction de Jean-Paul Oddos. Avec la collaboration de Pierre Aquilon ... - Paris : Éditions du Cercle de la Librairie, 1997. - 442 S. ; 24 cm. - (Collection bibliothèques). - ISBN 2-7654-0680-4 : FF 250.00 [5040]. S. u. IFB 00-1/4-073. [sh] (zurück)

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