Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 8(2000) 1/4
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Dichterische Freiheit und pädagogische Utopie


00-1/4-038
Dichterische Freiheit und pädagogische Utopie : Studien zur schweizerischen Jugendliteratur / Heidy Margrit Müller (Hrsg.). - Bern : Lang, 1998. - 284 S. ; 23 cm. - ISBN 3-906757-56-0 : DM 69.00
[5417]

Der Band vereinigt elf Studien, die aus einem Forschungsseminar der Universität Basel hervorgegangen sind. Sie sind "jugendliterarischen Werken" gewidmet, die im 19. oder 20. Jahrhundert in der Schweiz geschaffen wurden. Die Abhandlungen gehen "von komparatistischen, produktions- oder rezeptionsästhetischen, thematischen, idologie-kritisch orientierten oder mentalitäts- und kulturgeschichtlich aufschlußreichen literaturwissenschaftlichen Fragestellungen aus". Im ersten Beitrag gibt Verena Rutschmann einen guten Überblick zur Geschichte der Schweizer Kinderliteratur des 19. Jahrhunderts an Hand der Kinderbuchproduktion von drei Schweizer Verlagen. Der bürgerlich-liberale Verlag Sauerländer in Aarau, der katholische Verlag Benzinger in Einsiedel und der Verlag Spittler in Basel, der Teil der neupietistischen Erweckungsbewegung war, pflegten zwar das Gebiet nur nebenbei, versorgten dennoch einen großen Teil des Kinderbuchmarktes mit ihren Schriften. Die Produktion dieser Verlage bieten der Autorin "einen Einblick in sozialgeschichtliche Fragen, in die Bemühungen verschiedener Interessengruppen, die Jugend in ihre jeweiligen politischen oder religiösen Gesellschaftsmodelle einzubinden".

Mit der Behandlung des Judentums in jugendliterarischen Werken aus der Deutschschweiz beschäftigt sich Heidy Margrit Müller. Sie untersucht einschlägige Werke vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart, "ob judenfeindliche Vorstellungen formuliert und wie sie motiviert werden, ob darin ein differenziertes Bild des Lebens als Jude oder Jüdin entworfen wird und ob Übereinstimmungen mit zeitgenössischen Tendenzen hinsichtlich der Beurteilung das Judentums feststellbar sind." Das ist eine interessante Darstellung.

Von Höhepunkten der deutschschweizerischen Kinder- und Jugendliteratur gehen zwei Beiträge aus. Maya Cathomas zeigt, wie in den beiden Robinsonaden von Johann David Wyß und Johann Georg Tobler, entstanden kurz nach dem Untergang des Ancien Régime, "die Insel zum Ort gemacht wird, wo die alte politische Ordnung ohne Gefährdung durch andere Herrschaftsansprüche weiterexistieren kann." "Die Insel wird zum patriarchalen Paradies."

Johanna Spyris Heidi-Romane, Ende des 19. Jahrhunderts in Gotha gleich mit großem Erfolg erschienen, waren fünfzig Jahre später von Charles Trittin ins Französische übersetzt worden. Trittin fügte noch drei Fortsetzungsbände hinzu, ohne sich direkt als Verfasser auszugeben. In diesen Fortsetzungen untersucht Isabel Kamber Trettins "Wertvorstellungen und Wertvermittlung".

Der größte Teil der Beiträge ist Werken einzelner Schweizer Autoren des 20. Jahrhunderts gewidmet, wie Elisabeth Müller, Josef Hauser, Olga Meyer, Franz Hohler, Lukas Hartmann oder dem Illustrator Alois Carigiet u.a. Alle Beiträge sind mit Anmerkungen und Literaturverzeichnissen versehen. Das Namensregister entfält auch Institutionen und Verlage.

Heinz Wegehaupt


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