Medienserver
des BSZ
Baden-Württemberg
Rezension zu

Erwerbspolitik und Wirtschaftsweise mittelalterlicher Orden und Klöster

Stand: 29.05.2002
Bibliographische Beschreibung
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Erwerbspolitik und Wirtschaftsweise mittelalterlicher Orden und Klöster, hrsg. von Kaspar Elm (Berliner Historische Studien Bd. 17; Ordensstudien VII). Berlin: Duncker & Humblot 1992. 279 S., zahlr. Abb. und Tabellen.

Der vorliegende gehaltvolle Sammelband geht auf ein im Jahr 1983 veranstaltetes Kolloquium zurück. Überaus mißlich ist der lange Zeitraum von nahezu einem Jahrzehnt zwischen Tagung und Publikation. Zwar heißt es im Vorwort, die Beiträge seien von den Verfassern auf den neuesten Stand der Forschung gebracht worden, doch bekennt bereits der Verfasser des ersten Beitrags in Fußnote 1: "die Literatur nach 1983 konnte nicht mehr erfaßt werden". Das sich dadurch einstellende Phänomen der "Ungleichzeitigkeit des Gleichzeitigen" mag wissenschaftstheoretisch reizvoll sein, für die Betroffenen ist es allemal äußerst unbefriedigend. Es sei daher hier an alle Heraus- und Geldgeber von Tagungsbänden appelliert, ihren Autoren den mitunter erheblichen Aufwand für eine Aktualisierung nach längerer Zeit zu ersparen und das Buch nicht später als ein bis zwei Jahre nach der Veranstaltung auf den Markt zu bringen.

Der Band beleuchtet ein wichtiges Thema der mittelalterlichen Kirchengeschichte aus den Perspektiven ganz unterschiedlicher Orden. Am Beispiel von St. Peter in Basel, St. Vincenz in Bern und St. Leodegar in Luzern fragt Guy P. Marchal: "Gibt es eine kollegiatstiftische Wirtschaftsform?" (S. 9-29). Die Antwort ist erfreulicherweise überaus klar formuliert: Nein (S. 29). Dietrich Lohrmann behandelt "Die Erwerbspolitik der Abtei Prémontré unter Norbert von Xanten und Hugo von Fosse (1120-1161)" (S. 31-50). Einen württembergischen Bezug weist der Beitrag von Klaus Wollenberg "Erwerbspolitik und Wirtschaftsweise des oberbayerischen Zisterzienserklosters Fürstenfeld 1263-1550" (S. 51-66), der sich auf eine 1984 veröffentliche Dissertation stützen kann, auf. Fürstenfeld besaß nämlich Weingüter bei Esslingen am Neckar. Zur Stadtwirtschaft der Zisterzienser erschien im gleichen Jahr wie der vorzustellende Band übrigens eine Monographie: Wolfgang Bender, Zisterzienser und Städte, Trier 1992 (zu Trier, Luxemburg und Metz). Die Erwerbspolitik der Zisterzienser in einer Region nicht zu isoliert von der Entwicklung anderer, konkurrierender Orden zu sehen, fordert Johannes A. Mol (Besitzerwerbungen der friesischen Zisterzienserklöster Klaarkamp, Bloemkamp und Gerkesklooster, S. 67-96).

Mit der Wirtschaftsweise der Ritterorden setzen sich drei Aufsätze auseinander: Walter G. Rödel, Erwerbspolitik und Wirtschaftsweise der Kommenden Mainz und Niederweisel des Johanniterordens: Ein Stadt-Land-Vergleich (S. 97-113); Johannes Krieser, Wirtschafts- und Finanzgebaren nordfranzösischer Templer-Häuser am Beispiel der Komturei Payns (Champagne) (S. 115-124); Bernhart Jänig, Erwerbspolitik und Wirtschaftsweise des Deutschen Ordens am Beispiel der Häuser Beuggen (Elsaß-Burgund) und Elbing (Preußen) (S. 125-173). In seinen "Beobachtungen zur Erwerbspolitik und Wirtschaftsweise des Memminger Antoniterhauses" (S. 175-196) würdigt Adalbert Mischlewski insbesondere den bedeutenden Präzeptor Pierre Mitte de Chèvrieres (1439-1479), bekannt auch als Büchersammler. "Wirtschaftliche Grundlagen und wirtschaftliches Verhalten der Hospitäler in Barcelona 1375-1500" skizziert sehr kursorisch Uta Lindgren (S. 197-205). Zugleich einen gewichtigen Beitrag zur Reformgeschichte der Mendikanten bietet Bernhard Neidiger, Armutsbegriff und Wirtschaftsverhalten der Franziskaner im 15. Jahrhundert (S. 207-229). "Die ökonomische Lage des bayerischen Birgittenklosters Gnadenberg um 1500" stellt Tore Nyberg vor (S. 231-247). Hervorgehoben sei die Erörterung der Pfründner-Problematik (S. 241-247). Insbesondere der handwerklichen Tätigkeit der Frauengemeinschaften der devotio moderna in der Textilherstellung widmet sich Gerhard Rehm, Aspekte der Wirtschaftstätigkeit der Schwestern vom gemeinsamen Leben im 15. Jahrhundert (S. 249-266). Dankenswerterweise ist ein Orts- und Personenregister beigegeben.

Man legt den Band reich belehrt, aber auch mit einer gewissen Ratlosigkeit aus der Hand. Eine Zusammenfassung fehlt wohl auch deshalb, weil die einzelnen Fallstudien allzu heterogene Erscheinungen thematisieren. Ein Dutzend Autoren singt offensichtlich nicht automatisch im Chor, wenn nichts weiter auf dem Blatt steht als: "Erwerbspolitik und Wirtschaftsweise mittelalterlicher Orden und Klöster".

Klaus Graf